UNWIRKSAME BEITRAGSERHÖHUNGEN

Bereits seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Meldungen, dass Beitragsanpassungen von privaten Krankenversicherern von Gerichten als unwirksam erkannt wurden und dadurch rückabzuwickeln seien.

Ich persönlich sehe seit dieser Zeit ständig Werbung in sozialen Medien, in denen Anwaltskanzleien betroffene PKV-Kunden bei der Rückforderung von unzulässigen Beitragsanpassungen unterstützen wollen und die erfolgreiche Rückabwicklung in Aussicht stellen.

Lohnt sich das, sollte man das in Anspruch nehmen?

 

WAS HAT ES DAMIT AUF SICH?

Nun, das ist schnell erklärt... verschiedene Gerichte kamen zu der Auffassung, dass die Begründung für verschiedene Anpassungen nicht ausreichend und daher rein formal unwirksam seien. Es geht also um einen Formfehler. Es geht nicht darum, dass bei der PKV falsch gerechnet wurde. Also 1 und 1 ist immer noch zwei.

Und das ist auch das eigentliche Problem... wenn sich Ihr Krankenversicherer verrechnet hätte, dann würde er das zurück rechnen, den zu viel bezahlten Betrag auf Ihr Konto zurücküberweisen und gut is'.

Hier geht es um einen formalen Fehler, der den Versicherer zwingt die Beitragsanpassung, die in ihrer Höhe richtig war, also den sich aufgrund von vermehrter Inanspruchnahme von Leistungen ergebenen Fehlbetrag einzupreisen, jetzt zurückzunehmen - und das zum Teil für mehrere Jahre.

Klar, könnten Sie denken, er hat's nicht ausreichend begründet, also, selber schuld und deshalb muss er mir jetzt auch eine Menge Beitrag zurückbezahlen.

Und das ist auch richtig. Wenn man jetzt aber einen Schritt weiter denkt, dann wird einem unwillkürlich auffallen, dass es sich eben nicht um einen Rechenfehler handelt und der Kapitalbedarf aufgrund der Ausgaben ja durchaus da war und mit der Anpassung sozusagen ausgeglichen wurde. Aber ist der Fehlbetrag wieder da!

Was wird denn zum nächsten Jahreswechsel oder wann auch immer die nächste Überprüfung der Beiträge ansteht passieren?...

Genau, den Fehlbetrag wird sich der Versicherer wieder holen und Sie werden es bereits erahnen... von Ihnen, korrekt! Klingt ein bisschen wie: rechte Tasche, linke Tasche, stimmt.
Doch eventuell bleibt's gar nicht bei diesem Betrag: Vielleicht ist er etwas höher oder viel höher...

Betroffene Versicherer, weil gegen sie bereits geurteilt wurde:
  • AXA Krankenversicherung AG
  • Barmenia Krankenversicherung AG
  • DBV Krankenversicherung als Zweigniederlassung der AXA Krankenversicherung AG
  • DKV Deutsche Krankenversicherung AG

 

WIE, DER FEHLBETRAG KÖNNTE HÖHER SEIN?

Auch das ist relativ leicht zu erläutern. Die Rückabwicklung und Rückzahlung führt zu vermindertem Gewinn, und dadurch zu Zinsverlusten. Außerdem hat die Beitragshöhe auch etwas mit den zu bildenden Alterungsrückstellungen zu tun und geringerer Beitrag bedeutet auch eine geringere Zuführung zur Rückstellung.

Nicht zu vergessen ist, dass der Anpassungsbedarf real vorhanden war und durch die erzwungen Beitragskorrektur entsteht ein Fehlbetrag, der durch die beiden oben genannten Gründe zum nächsten Anpassungstermin höher ist als der Betrag, den Sie sich erstritten haben.

Ach ja,... wenn Sie das mit Hilfe eines Anwalts erreicht haben, dann hat er das sicherlich auch nicht kostenlos getan, oder?

 

WEITERE KONSEQUENZEN

Es gibt aber noch weitere Auswirkungen:

  • Ein geringerer Beitrag führt bei abhängig Beschäftigten auch zu einer Korrektur des Arbeitgeberanteils. Das geht zu Ihren Lasten und Sie müssen den zu viel erhaltenen Anteil zurückbezahlen.

  • Geringere Beiträge sorgen auch für eine steuerliche Neubewertung verbunden mit einer Nachforderung der Finanzbehörden.

  • Sollten Sie aufgrund von Leistungsfreiheit Beitragsrückerstattungen erhalten haben, dann droht auch hier eine Rückforderung.

 

AUS SICHT DER ANWÄLTE

Bisher habe ich Ihnen das mal aus Sicht der Versicherer geschildert. Es wird Zeit das mal von der anderen Seite sich anzusehen...

Die Kanzlei Pilz, Wesser & Partner ist dem aufmerksamen PKV-Kunden bereits seit einigen Jahren ein Begriff, wenn es um Beitragsanpassungen in der PKV geht. Angefangen hat das mit dem Verfahren um die Unabhängigkeit des Treuhänders gegen die AXA Krankenversicherung AG. Und Dr. Knut Pilz hat am 14.04.2021 in einem Artikel auf procontra online eine andere Auffassung vertreten, die die Argumentation der Versicherer durchaus in Frage stellt.

Er führt aus, dass:

  1. die Rückerstattung des Krankenversicherers deutlich höher ausfalle, als der Betrag, den man tatsächlich der Alterungsrückstellung zugeführt habe;

  2. der Beitrag könne aufgrund der Rückerstattung im Anschluss nicht stärker angehoben werden, denn dagegen spräche der § 155 Abs. 3 Satz VAG. Demnach habe der Versicherer zumindest jährlich die erforderlichen Versicherungsleistungen mit den kalkulierten zu vergleichen, was dazu führe, das lediglich die für die Zukunft erforderlichen Versicherungsleistungen im Rahmen einer Beitragsanpassung berücksichtigt werden dürfe.
Im Klartext heißt das:
Der Versicherer hat die Rückzahlung aus eignen Mitteln, also Gewinn zu bestreiten und kann sie sich nicht im Anschluss eins zu eins vom PKV-Kunden wieder holen. Allerdings gilt das für die Vergangenheit... durch die Rechtsprechung, wurde den Versicherern ein Zeithorizont geöffnet, in dem sie das heilen konnten.

Da Beitragsanpassungen lebenslang ausfinanziert werden, also bis zum kalkulatorischen Vertragsende würde ein Versicherer diese Rückzahlungen nur zeitlich begrenzt aus Eigenmitteln erbringen müssen. Durch die Rückzahlung entsteht nur für diesen Zeitraum die Lücke, die es aus den Eigenmitteln zu schließen gilt.

 

WER IST GEWINNER?

Gewinner sind Sie,... wenn Sie geklagt, gewonnen, die Rückzahlung erhalten haben und die Anwaltskanzlei recht hat in ihrer Argumentation, denn Ihr Vertrag läuft weiter und die nächste Anpassungsrunde wird kommen... irgendwann, vielleicht auch schon mit Jahreswechsel,

Gewinner sind Sie ebenfalls, wenn Sie im Anschluss an die erfolgreiche Rückforderung der Beiträge Ihrem Krankenversicherer den Rücken kehren können und zwar bevor die nächste Beitragsanpassung wirksam wird. Damit meine ich nicht, wenn Sie den Anbieter wechseln... sondern das System, also wenn Sie zurück zur GKV gehen.

Und dann gibt's da natürlich noch den Anwalt, der Ihnen geholfen hat die unwirksamen Beitragserhöhungen zurückzufordern. Er gehört auch zu den Gewinnern... auch dann, wenn Sie nicht das System wechseln.

 

EINS NOCH...

Aus der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts ergab sich bereits, dass formal unwirksame Beitragsanpassungen nachträglich geheilt werden können, wenn der Versicherer innerhalb eines bestimmten Zeitraums betroffene PKV-Kunden entsprechend den Anforderungen gemäß, die sich aus § 203 Abs. 5 VVG ergeben informiert.

Das haben die (betroffenen) Krankenversicherer innerhalb der zur Verfügung gestandenen Frist getan - rein vorsorglich.